Wednesday, April 12, 2006

Kopfgeburten

Der Schlüssel zum Erfolg heißt ja Qualifikation. Also Schlüsselqualifikation. Von Qualifikationen allein kann ja kein Mensch mehr leben. Deshalb soll es in den NRW-Grundschulen jetzt wieder Kopfnoten geben.

Oh, das weckt böse Erinnerungen, nicht wahr? Gehören Sie auch zu denjenigen, die damals so gar nicht verstanden haben, wie die Lehrer auf ihre Noten kamen?

Zum Beispiel Fleiß. Sie glauben gar nicht, wie fleißig ich war. Zu Hause. Aber im Unterricht habe ich den Mund nicht aufgekriegt. Klare Sache von Mundfaulheit. Und klar, das gab direkt 'ne schlechte Note. Dabei war ich nur so ein kleines Schisshäschen. Bis zur Pause – versteht sich!

Was gab es denn noch? Ach, ja. Betragen.

Oder hieß es früher nicht 'Ertragen'? Neee, jetzt aber mal ernst: Stille Wasser sind tief, das hatten wir ja schon und also war meine Mitarbeit miserabel, dafür war ich aber grottenbrav.

Na, was meinen Sie, was ist wichtiger? Schnauze halten oder nicht auffallen?

Da wird ja auch viel erzählt von demokratischen Tugenden und so. Sie wissen schon, beim Thema Integration wird das ganz besonders groß geschrieben. Alle Kindern sollen nämlich lernen in der Gruppe zu diskutieren und abzustimmen. Mitbestimmung könnten sie dann ganz praktisch erproben, beispielsweise in der Schulkonferenz.

Aber das mittlerweile auch wieder nur zum Schein. Denn worüber nicht so viel gesprochen wird, ist die Abschaffung der sogenannten Drittelparität. Jetzt hör' ich Sie schon fragen: Drittelparität, wat isen dat?

Ich sag es mal so: Früher waren an der Schulkonferenz Lehrer, Eltern und SchülerInnen zu gleichen Teilen beteiligt, in Zahlen ausgedrückt 1:1:1 – also pro Lehrer jeweils ein Elternteil und ein Schüler. In der Haupt- und Realschule. Für die anderen Schulformen war das etwas anders aber auch ziemlich schülerfreundlich geregelt.

Im Sinne der Demokratie wollen CDU und FDP das jetzt ändern. Das geht dann so: Auf drei Lehrer kommen zwei Eltern und sage und schreibe 1 Schüler. Aus Perspektive der Youngster könnte man sagen: Einer gegen 5. Das Minderheitenvotum gerät da schnell zum Regelfall. Im Ergebnis nicht gerade motivierend, oder was meinen Sie?

Und jetzt mal eine ganz dumme Frage: Welche Kopfnoten hätten die Entscheider dafür wohl verdient?

Machen wir die Probe! Fleißig sind sie ja, bei dem Tempo, das sie vorlegen. Aber in Punkto Mitarbeit und Betragen – also das, was Sie auch soziale Kompetenz nennen können, bleibt da doch nur noch ein klares 'Ungenügend'. Ob das Erfolg verspricht?

Ach so, bevor ich's vergesse, Teamfähigkeit ist in dem neuen Gesetz auch nicht mehr gefragt. Bei Stimmengleichheit soll jetzt wieder die Schulleitung bestimmen, wo es lang geht. Frei nach Fußballbundestrainer Klinsmann: Die Nummer 1 bin Ich.

Irgendwie verständlich, denn wie sie spätestens zur WM schon feststellen konnten: Auf die Qualifikation kommt es gar nicht mehr an.

Bleiben Sie beweglich!

Ihr Kabarättchen

Tuesday, April 11, 2006

Ich-Botschaften I.

Ich finde, Du bist 'ne Marke!


Sunday, April 02, 2006

Blue Birthday

Jetzt werde ich also 32 Jahre alt. Und was ist aus mir geworden?

Diese Frage wird ja gerne gestellt, als Antwort kommt dann oft: Oh, ja, doch. Er hat sich prächtig gemacht. Mehr oder weniger genaue Lebensbeschreibungen folgen.

Am Ende will es eigentlich auch keiner so ganz genau wissen, das schürt nämlich nur Neid. Das wenigstens habe ich in meinen bisherigen Leben gelernt.

Und sonst? Da steht mein Geburtstag vor der Tür und ich weiß wirklich nicht, wen ich einladen soll.

Meine Erzeuger? Die sind inzwischen beerdigt oder sterben so vor sich hin.
Geschwister? Habe ich keine.
Freunde? Sind in alle Himmelsrichtungen verstreut. Ob die sich aufraffen können, puh, da habe ich große Zweifel!

Ich glaube, ich bin ein ziemlich ungewolltes Kind. Soll es ja geben. Aber einfacher wird es dadurch nicht gerade. Kennen Sie bestimmt auch aus der Zeitung: vernachlässigtes Kind macht irgendeinen Unsinn und alle hauen drauf. Auf das Kind, auf die Eltern, auf die Schule, auf die Gesellschaft – halt auf alle zusammen. Dem Kind geht es so zwar nicht besser, aber all jenen, die meinten, etwas zu sagen zu haben.

So fühle ich mich manchmal auch. Gut. Ich bin erwachsen und bei Erwachsenen gibt es kein Pardon. Jeder, der schon groß ist, ist schließlich für sein Tun und Lassen selbst verantwortlich. Ganz ehrlich: manchmal fühle ich mich allerdings ganz, ganz klein! So als hätte es die zweiunddreißig Jahre gar nicht gegeben.

Das kann natürlich nicht stimmen, also stimmt etwas mit mir nicht. Klar, da führt kein Weg dran vorbei.

Es hätte auch anders kommen können. Wenn man sich darauf vorbereitet hätte, dass ich komme. Ich glaube, dann hätte man da etwas entsprechendes im Petto gehabt. So wie man zum Beispiel schon mal das Kinderzimmer einrichtet, solange der Nachwuchs unterwegs ist.

Sie merken, ich hatte eine ziemlich schwierige Kindheit. Ständig hat man auf mich eingeprügelt. Erst habe ich zuviel gearbeitet und zu wenig vom Leben gelernt. Dann hab ich mich zu stark auf die Familie konzentriert, die ich aus lauter Einsamkeit zusammengetrommelt habe. Und als ich anfing zu sprechen, war schon alles zu spät.

Zum Glück gibt es den technischen Fortschritt. So konnte ich mit meinen Lieblingssendungen die Sehnsucht bekämpfen, dazugehören zu wollen. Irgendwann wurde ich sehr schweigsam. Ich habe dann auch wieder aufgehört zu reden.

Das hat aber auch nichts genutzt. Schon wieder wurde ich missverstanden. Manchmal habe ich so vor mich hin gedöst und mir darüber Gedanken gemacht, warum mich eigentlich nie einer gefragt hat: Was ich gerne mag, was ich liebe und vor allem worüber ich aus vollem Herzen lachen kann.

Heute will es sowieso keiner mehr wissen. Ich sage Ihnen, ich bin der Beweis dafür, dass selbst, wenn es ganz schlecht aussieht, immer noch schlimmer kommen kann.

Ich bin jetzt ein Fall für die Akten und für die Polizei. Meine Unterlagen liegen gerade auf denselben Schreibtischen, an denen damals die Entscheidung getroffen wurde, mich einzuladen.

Das war aber eine Einladung von der Sorte: komm mal vorbei, damit ich Geld an Dir verdiene. Das habe ich damals nicht begriffen. Da wurde so richtig reingeklotzt und davon haben gar nicht so wenige profitiert. Außer mir eigentlich alle. Bis ich dann anfing, lästig zu sein. Da habe ich erst verstanden: Ich darf zwar hier sein, ich darf aber nichts kosten.

Was jetzt aus mir werden soll? Das frage ich Sie!

Schließlich habe ich schon viel von meiner Flexibilität verloren. Wer so alt ist wie ich und mit dem Hochleistungssport anfangen will, erntet doch nur hämische Lacher!

Aber ich zeige Ihnen meine guten Willen. Beginnen wir neu. Fangen wir noch einmal an:

Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Integration. Und wie heißen Sie?